IMPULS ZUM 1. FASTENSONNTAG: DER PARADIESBAUM

Beim Betrachten des ersten Fensters - des Paradiesbaumes - sind wir ganz auf das Bild des Fensters angewiesen. Vom Kirchenraum aus können wir nur den kleinen unteren Teil erkennen, weil die Empore den größten Teil des Fensters verdeckt.

Eine Augenweide ist dieser Baum, der durch die bunten Blätter und die vollen Früchte Lust bereitet, zuzupacken. Die Schlange windet sich um den Baumstamm und bietet eine reife Frucht an. Der ganze Baum wirkt durch die Gestaltung der Farben wie ein lebendiger Baum.

Nach dem Buch Genesis steht dieser Baum in einem Garten. Das Besondere an diesem Garten: Er ist Gottes Schöpfung. Gott selbst hat ihn angepflanzt mit Bäumen und Früchten, "verlockend anzusehen und gut zu essen", darunter auch der Baum der Erkenntnis und der Baum des Lebens. Mitten in den Garten setzte Gott Mann und Frau, eins mit sich, mit Gott und den Geschöpfen. Die Geschichte des verlorenen Paradieses darf man aber nicht als ein historisches Ereignis verstehen. Sie ist vielmehr eine Schlüsselgeschichte; sie gehört zur sogenannten Urgeschichte Genesis 1-11, die deutlich machen will, dass der Mensch seine eigentliche Existenz und Bestimmung immer wieder verfehlt. Die Geschichte ist so nie geschehen und doch passiert sie immerzu.

Um diesen Baum herum ahnen wir einen unsichtbaren Zaun. Er bildet eine Grenze, die der Mensch nicht überschreiten darf. Und wir sehen in dieser Fenstergestaltung Bild die Schlange; sie ist das Symboltier für Baal; sie steht für die gesamte Naturkraft mit ihrer Vitalität und Intelligenz. Sie verlockt und verführt den Menschen zu Handlungen, die Gutes versprechen, die jedoch Vertrauen, Treue und Ehrfurcht gegenüber Gott und den Menschen untereinander zerstören. Und am Ende, in der Begegnung mit dem Tod, lässt sie den Menschen im Stich.

Dem Menschen ist heute vieles möglich durch die verschiedenen Errungenschaften der Wissenschaften. Er kommt immer wieder in Versuchung, Erkenntnisse umzusetzen, die ihm verboten sind aus moralischen und zerstörerischen Gründen. Ja, dieser Baum ist eine Augenweide und verlockt, klug zu werden durch den Genuss seiner Früchte. Die Schlange auf unserem Bild bietet die wunderbare Frucht dem Menschen an, drängt ihn geradezu, sie anzunehmen.

Das verlorene Paradies ist ein Symbol für die Gebrochenheit des Menschen: Er ist und bleibt zerrissen zwischen Wollen und Sollen, zwischen Können und Tun, zwischen Chance und Realität, zwischen Gottvertrauen und Zweifel.

Die Schlange, im heutigen Evangelium Satan genannt, will auch Jesus in Versuchung führen. Vom Geist Gottes wird er in diese Situation geführt, er wurde in die Wüste getrieben. Wüste, nicht zuerst geographisch gesehen, sondern ein Symbol für Einsamkeit. Einsamkeit, wo kein anderer da ist, nur der Mensch mit seinem Gott und der Verantwortung, die Jesus – die auch dir – aufgetragen wird. Nicht die Tiere dienen ihm, sondern die Engel Gottes. Gott selbst gibt ihm alles in die Hand. So kann er sagen: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.

Das erste Bild - der Paradiesbaum - ist vom Kirchenraum aus leider nicht gut zu sehen. Daher besteht die Versuchung, dieses Fenster zu vergessen und damit auch den dargestellten Inhalt, den Sündenfall. Aber es gibt Rettung aus der Verlorenheit, Jesus Christus, unser Erlöser.

Schwester M. Jacobe Wetzel

 

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